ARbeitsmarktintegration

Einfach mal machen

bauwerk wettringen lebt Integration

Man dürfe nicht nur von Integration reden, sondern man müsse auch etwas dafür tun, so Heiko Lugt, Geschäftsführer von bauwerk wettringen. Gemeinsam mit seinem Partner Tobias Ewering stellte er im Februar Roozbeh Sarem, einen afghanischen Flüchtling, als Bauleiter ein.

Roozbeh Sarem ist Bauingenieur. Er hat sein Studium in Mazar-i-Sharif in Afghanistan absolviert. Später seinen Master an der Amity Universität in Indien gemacht. Anschließend war er mehrere Jahre als Bauleiter der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit in Mazar-i-Sharif tätig. Dort war er im Programm „Polizeiaufbau Afghanistan“ eingesetzt. Er koordinierte und betreute die Bauleitung von mehr als 60 Checkpoints und Polizeistationen. Außerdem übernahm er einen Lehrauftrag an der Jawzjan Universität. Auch privat fand er sein Glück, heiratete und bekam zwei Kinder. Alles lief gut für ihn, bis die Taliban zurückkehrte.

Sarem floh mit seiner Familie nach Deutschland. Nach drei Tagen in Hannover fand er sich in Wettringen wieder. Ein Glücksfall wie er heute sagt.

Schon am Ankunftstag bekam seine Familie Besuch von Tina Goltsch, der Integrationsbeauftragten der Gemeinde Wettringen. Sie habe vieles für sie leichter gemacht, so Sarem dankbar. Dennoch sei es insbesondere für seine Frau zunächst ein Kulturschock gewesen. Das Wetter, die Sprache, die Lebensart – vieles war anders und musste erst gelernt werden. „Mir fiel es leichter, weil ich durch mein Studium und meine Arbeit bereits viele internationale Kontakte hatte bzw. habe, erläutert Sarem. Außerdem sei er als Bauingenieur strukturiertes und organisiertes Arbeiten gewohnt. Nicht die schlechtesten Voraussetzungen in einem Land wie Deutschland.

Ein erster Schritt um Anzukommen ist für alle Geflüchteten ein Sprach- und Integrationskurs, in dem sowohl die deutsche Sprache als auch die Geschichte und das politische System Deutschlands sowie Alltagswissen vermittelt werden. Auch Sarem besuchte einen Kurs. Gleichzeitig startete er gemeinsam mit Liesel Hochartz, seiner Ansprechpartnerin beim jobcenter Kreis Steinfurt, sein berufliches Anerkennungsfahren. „Als Flüchtling steht man beruflich wieder ganz am Anfang, ganz egal, was man vorher schon geleistet und erreicht hatte“, so Sarem. 

Es folgte ein erstes Praktikum bei einem Bauunternehmen, das auf Holzbau spezialisiert ist. „In Afghanistan kennen wir keinen Holzbau, dort wird nahezu ausnahmslos mit Stahlbeton gearbeitet“, erklärt Sarem. Daher passte es für beide Seiten nicht.

Die heimische Kirmes sollte der Türöffner für Sarems erfolgreichen Berufseinstieg in Deutschland werden. Er kam dort ins Gespräch mit einem Wettringer Bürger, ein Fußballfreund von Heiko Lugt, dem Geschäftsführer von bauwerk wettringen. „Er hat mir Roozbeh ans Herz gelegt und gesagt, dass er gut zu uns passe“, so Lugt. Daraufhin habe er Sarem kontaktiert und nach Rücksprache mit dem jobcenter Kreis Steinfurt zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Der 41-Jährige Afghane konnte überzeugen und bekam ein Praktikum angeboten. „In der Regel haben wir junge Praktikanten ohne Berufserfahrung. Bei Roozbeh waren die kulturellen Unterschiede und die Sprache die Herausforderungen.“

Am Ende des Praktikums stand fest, Sarem passt mit seinem höflich freundlichen Wesen, seiner Wissbegierde und seiner Arbeitsweise ins Team. Seit Februar dieses Jahres ist er als Bauingenieur festangestellt. Das jobcenter Kreis Steinfurt half bei der Einstellung und unterstützt das Beschäftigungsverhältnis mit einem Eingliederungszuschuss. „Diese Unterstützungsleistung stellt einen finanziellen Ausgleich für Arbeitgeber dar, weil sie anfangs mehr Zeit und Betreuung in den neuen Arbeitnehmer investieren müssen“, so Liesel Hochartz zuständige Arbeitsvermittlerin vom Jobcenter und ergänzt: „Diese Förderung zahlt sich langfristig für alle aus.“

Sarem hat in den ersten Wochen neben dem Umgang mit den gängigen Softwareprogrammen des Architektur- und Planungsbüros auch viele Fachbegriffe gelernt, die wichtig sind für seine Arbeit. Derzeit ist er unterstützend in der Bauleitung tätig und fast immer an der Seite des Projektleiters Andre Epker zu finden. Gemeinsam sind sie morgens in der Regel auf ihren aktuellen Baustellen auf dem Oxford-Gelände in Münster anzutreffen. Dort haben sie die Bauaufsicht über zwei große Bauprojekte, u.a. über „Kollaborativ leben im Quartier“, bei dem 28 Wohneinheiten errichtet werden.

Zu ihren Aufgaben zählen die Überprüfung der Handwerksleistungen, das Aufmaße nehmen und die Erteilung von Arbeitsanweisungen. Nachmittags arbeiten sie am Schreibtisch. Gemeinsam mit vier weiteren Kollegen teilen sie sich ein Büro. Dort bereiten sie Ausschreibungen, Abrechnungen und Projektpläne vor, prüfen Rechnungen und entwickeln neue Projekte. Epker ist zufrieden: „Roozbeh bekommt immer mehr eigenverantwortliche Arbeiten. Er macht sich gut.“ Auch sein Deutsch werde mit jedem Tag besser. „Es ist gut, dass er da ist“, so Epker, denn Sarem sei eine echte Verstärkung für das Bauleitungsteam. Lugt ergänzt: „Und eine Bereicherung für den gesamten Betrieb.“ So geht Integration.