Zahlen, daten, Fakten

Ein Jahr Bürgergeld

Jetzt kommt der Job-Turbo

2023 war für das jobcenter Kreis Steinfurt ein Jahr permanenter Änderungen. Zu Jahresbeginn wurde aus Hartz IV das Bürgergeld. Der Gesetzgeber setzte auf weniger Zwang und mehr Freiwilligkeit. Im Sommer entfiel dann der Vermittlungsvorrang zugunsten nachhaltiger Integration basierend auf Weiterbildung und Qualifikation. Damit fand die größte Sozialreform seit der Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Jahre 2005 ihren Abschluss.

Drei Monate nach der Abschaffung des Vermittlungsvorrangs zündete das zuständige Bundesministerium für Soziales dann den sogenannten Job-Turbo. Das Land NRW zog mit der Vermittlungsoffensive nach. Ziel ist seitdem wieder die schnelle statt nachhaltige Integration in Arbeit. Leistungsminderungen inklusive, wenn jemand sich nicht kooperativ verhält. Weiterbildung und Qualifikation sollen wieder nachrangig erfolgen.

„Von der ursprünglich mit dem Bürgergeld verbundenen arbeitsmarktpolitischen Philosophie ist, das muss man so sagen, am Ende des Jahres nicht viel übriggeblieben“, so Thomas Robert, Vorstand des jobcenter Kreis Steinfurt. Bewerten möchte der Vorstand die Kursänderungen in der Arbeitsmarktpolitik nicht, denn: „Wir sind nicht für die Gesetze verantwortlich. Unsere Aufgabe ist es, sie bestmöglich für die Menschen in der Region umzusetzen.“ Aber, gibt er zu, dieses Jahr sei schon sehr herausfordernd gewesen.

Bilanz in Zahlen

In 2023 waren jahresdurchschnittlich 21.874 Menschen auf Unterstützung durch das jobcenter Kreis Steinfurt angewiesen. Rund 30 Prozent davon waren Kinder unter 15 Jahren.  Ende 2023 erhielten 5,7 Prozent mehr Menschen Bürgergeld als im Dezember 2022.

7.756 Männer und Frauen waren in 2023 durchschnittlich arbeitslos gemeldet. Auch hier zeigt der Vorjahresvergleich im Dezember einen Anstieg von 7,6 Prozent. Die Arbeitslosenquote stieg Ende des Jahres von 2,8 auf 3,1 Prozent in der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Es gelang im abgelaufenen Jahr 2.663 Männer und Frauen in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu vermitteln.

Besonders auffällig ist der Anstieg bei den Langzeitarbeitslosen. Dies sind Menschen, die länger als ein Jahr arbeitslos gemeldet sind. Diese Gruppe wuchs im Vergleich zum Vorjahr um rund 18,5 Prozent auf jahresdurchschnittlich 4.578 Personen. „Dieser Anstieg ist zum größten Teil auf die ukrainischen Flüchtlinge zurückzuführen, die in 2022 nach Kriegsausbruch zu uns kamen“, so Tanja Naumann, Vorstand Markt und Integration des Jobcenters, und weiter: „Sie haben nach ihrer Ankunft zunächst einen Sprach- und Integrationskurs absolvieren müssen und diesen erst im Laufe 2023 beendet.“ Nach dem Spracherwerb, so die Vorständin weiter, folge die Arbeitsmarktintegration. Insgesamt 14 Prozent aller ukrainischen Leistungsbeziehenden gehen aktuell einer Erwerbstätigkeit nach. Das sind fast doppelt so viele wie in 2022. „Das reicht uns noch nicht, aber wir sind auf einem guten Weg“, betont Naumann. 

Die ukrainischen Kriegsflüchtlinge sind nicht die einzigen Menschen mit ausländischen Wurzeln, die auf Unterstützung des Jobcenters angewiesen sind. „Wir betreuen Menschen aus über 40 Ländern“, erläutert Naumann. Ihre Zahl sei in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Im September 2023 hatte die Hälfte aller Menschen, die Leistungen aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende bezogen, einen ausländischen Pass.

Wirtschaft mit ins Boot holen

Mit dem Job-Turbo des Bundesministeriums sollen in 2024 verstärkt ausländische Bürgergeld-Beziehende in Arbeit gebracht werden. Die Vermittlungsoffensive NRW ist größer gedacht: alle arbeitsmarktnahen Bürgergeld-Beziehenden sollen schneller auf den Arbeitsmarkt vermittelt werden.

„Die Chance dafür ist da“, betont Tilman Fuchs, Vorstandsvorsitzender des Jobcenters. „Zum einen, weil die Arbeitskräftenachfrage nach wie vor hoch ist und zum anderen, weil die meisten der zu uns Geflüchteten inzwischen ihre Sprach- und Integrationskurse absolviert haben.“ Außerdem seien insbesondere die ukrainischen Flüchtlinge häufig gut qualifiziert. „Unsere Aufgabe wird es in diesem Jahr sein, ihnen allen möglichst zielgenaue Arbeitsangebote zu unterbreiten und sie auf dem Weg in Beschäftigung eng zu begleiten und zu unterstützen“, ergänzt Naumann. Damit Job-Turbo und Vermittlungsoffensive gelingen, brauche es aber die Bereitschaft von hiesigen Arbeitgebern, diese Menschen einzustellen, auch wenn einige aktuell nur Grundkenntnisse der deutschen Sprache erworben haben. „Mein Appell an die Betriebe im Kreis Steinfurt: Werden Sie Chancengeber für diese gut qualifizierten Menschen!“, sagt Fuchs. Denn Deutsch lerne man nicht nur in Kursen, sondern genauso gut bei der täglichen Arbeit mit Kolleginnen und Kollegen. Es wäre eine Investition, die sich auszahlt, ist sich der Vorstandsvorsitzende sicher.

Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration in Beschäftigung ist natürlich die Mitwirkung der Bürgergeld-Beziehenden. Wenn diese Bereitschaft nicht gegeben ist und Hilfeempfänger sich weigern eine Arbeit aufzunehmen, dann können Leistungen gekürzt werden. „Das war schon immer so“, so Naumann und weiter: "Es gibt vereinzelnd Fälle, bei denen braucht es Mitwirkungspflichten und dann auch Leistungsminderung." Das sind aber die Ausnahmen. Schon vor Corona waren es nur ein bis zwei Prozent aller Leistungsberechtigten, die von einer Sanktion betroffen waren. Dennoch seien es immer wieder diese Fälle, die für Schlagzeilen sorgen und das Bild der Jobcenter Kundinnen und Kunden in der Öffentlichkeit prägen. Es sei ein wenig wie der Kampf gegen Windmühlen, aber die Vorständin werde nicht müde zu betonen, dass die große Mehrheit der Bürgergeld-Beziehenden arbeiten gehen und ohne staatliche Hilfe leben möchte.

Das zeigen auch die zahlreichen Veranstaltungen in 2023, die das jobcenter Kreis Steinfurt für Unternehmen und Bürgergeldbeziehende initiiert hat. „Wir haben beiden Gruppen Raum gegeben sich kennenzulernen – freiwillig und ohne Zwang.“ Die Resonanz war sehr gut. Die Veranstaltungen waren auf Kundenseite immer mehr als ausgebucht. Naumanns Fazit: „Die Menschen wollen arbeiten. Wir müssen es gemeinsam mit den Unternehmen der Region möglich machen. Das ist unsere Aufgabe als Jobcenter.“